Physik als anarchistische Textpraxis

Das Semiotische in den mathematisch-physikalischen Wissenschaften

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August 17, 2024 | History

Physik als anarchistische Textpraxis

Das Semiotische in den mathematisch-physikalischen Wissenschaften

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Alternativen zur Physik bedeutet nicht die Infragestellung der bestehenden Physik im Sinn von richtig oder falsch, Alternativen zur Physik bedeutet viel mehr die Aufforderung sich für Alternativen oder die bestehende Physik zu entscheiden. Die Existenz von Alternativen zur Physik, einer alternativen Physik, bedeutet, daß PhysikerInnen sich positionieren müssen, die Alternativen zur Physik sollen dabei dieselbe Welt erklären, sie sollten also zu den selben Ergebnissen führen, nur würden diese Ergebnisse, in diesen Alternativen zur Physik, etwas anderes bedeuten, also anders interpretiert werden.

Die Empirie der Physik liefert keine hinreichende Basis für eindeutige Aussagen, insofern sind Alternativen immer vorhanden. Zur Zeit werden solche Alternativen zur bestehenden Physik nur dadurch ausgegrenzt, daß PhysikerInnen einem spezifischem Common Sense folgen, einem Set von Festlegungen jenseits empirischer Fakten, der die Interpretation dieser empirischen Fakten erst ermöglicht. Daß heißt, die Ausgrenzung der Alternativen zur bestehenden Physik wird nicht durch Fakten erzeugt, sondern durch eine empirische Praxis und auch eine Interpretationspraxis, die bestimmte kulturelle aktuelle gesellschaftliche Festlegungen in den Naturwissenschaften zu unhinterfragbaren Tatsachen verklärt und damit Alternativen in der Physik ausschließt.

Da Alternativen zur Physik nicht auf Grund der internen Fakten ausgeschlossen werden können, muß es also auch einen Grund diesseits der Fakten geben, der dazu führt, daß wir diese Physik haben und keine Alternativen. Richtiger gesagt, die Auswahl dieser Physik im Verhältnis zu anderen Alternativen, die ebenfalls die Fakten abdecken würden, beruht auf einer Entscheidung, die selbst nicht in der Physik oder ihren Alternativen ihre Erklärung findet. Das heißt es gibt politische, wirtschaftliche, individualpsychologische und in der Fachentwicklung und den Institutionalisierungen liegende Gründe dafür, daß wir diese Physik und keine Alternativen haben. Das diese Physik als ohne Alternativen dargestellt wird deutet darauf hin, daß das Denken in Alternativen zur bestehenden Physik erhebliche Ängste auslöst und mit der als absolut gültig postulierten Physik erhebliche Interessen verknüpft sind, die dazu führen, Alternativen zur bestehenden Physik zu verteufeln.
Als Gründe für das Festhalten an dieser Physik und dem Ausschluß von Alternativen lassen sich eine Reihe Gründe nennen;

  • Die etablierten PhysikerInnen haben mit der etablierten Physik ihre Karriere verknüpft, sie haben ein massives Eigeninteresse Alternativen nicht aufkommen zu lassen.
  • In die Physik und die physikalische Theorie fließen sexistische Vorurteile ein, insbesondere wirkt die männliche Geschlechtsidentität, in der Physiker häufig stark verunsichert sind und mit sexuellen Ängsten zu kämpfen haben, in der Theoriebildung in der Physik fort. Ein typisches Beispiel ist die Theorie Schwarzer Löcher, ein aktueller Ersatz des Mythos vom Ende der Welt an dem die Seefahrer herabfallen und in der Hölle enden. Nicht zufällig ist dies im Begriff des Schwarzen Loches mit der Vorstellung der Vagina Dentata verknüpft, also mit typischer männlicher Sexualphobie. Bzgl. Alternativen müßte nicht nur die Begrifflichkeit hinterfragt werden, sinnvoll müßten wohl insgesamt zur offensichtlich neurotisch verquasten und primär intrapsychisch bedingten Theorie Schwarzer Löcher Alternativen entwickelt werden.
  • Mit spezifischen Setzungen der Mathematik findet auch die Warentauschlogik des Kapitalismus ihren Einlaß in die Physik und physikalische Theorie, Alternativen müßten auch dies hinterfragen.
  • Die modernen Ansätze in der Physik und im physikalischen Denken sind jeweils auch mit den Änderungen der Selbstwahrnehmung der Menschen und der Gesellschaftsorganisation verknüpft. So findet die Globalisierung mit ihren veränderten Distributions- und Produktionsbedingungen und ihren neuen Anforderungen an das Subjekt sich in modernen systemischen Ansätzen der Physik gespiegelt.
    Auch Alternativen werden sich nicht vollkommen von den hegemonialen Denkkonzepten ihrer Zeit emanzipieren können, Alternativen sollten deshalb bewußt mit dieser Vourteilsbehaftung umgehen und sie in der Physik zur Sprache bringen.
  • Es gibt ein Interesse kritisches Denken in der Physik zu unterbinden. Eine Kritische Physik, eine physikalische Theorie und Praxis, die sich selbst ob ihrer Setzungen befragen würde, könnte Beispiel gebend sein für Hinterfragungen auch anderer Selbstverständlichkeiten, z.B. Leistungslogik, Standortlogik, usw.. Auch deshalb werden kritische Alternativen ausgeschlossen aus den dominanten Wissenschaftsdiskursen.
  • Es geht nicht darum der, zur Zeit als gültig betrachteten, Physik Alternativen als wahrhaftigere Alternativen entgegenzustellen. Die Aussage hier ist, daß es bei komplexen Theorien wie der Physik zwischen unterschiedlichen Alternativen in vielen Fällen kein Wahrheitskriterium für die Auswahl mehr gibt. Unterschiedliche komplexe Theorien können durch innere Strukturveränderungen den empirischen Ergebnissen angepaßt werden. Ein Beispiel dafür liefert die Atomtheorie der Physik, die nach wie vor als Atomtheorie gelehrt wird, obwohl längst davon ausgegangen wird, daß es kleinere Teilchen gibt bzw. Quantenzustände und stehende Wellen usw.. Das heißt die Theorie des Unteilbaren, des Atoms, wurde der Teilbarkeit des Unteilbaren angepaßt, ohne sie als Atomtheorie grundsätzlich in Frage zu stellen, oder daraus einen epistemologischen Bruch herzuleiten. Insofern gibt es immer unendlich viele Alternativen, die gleich wahr sind. Die Auswahl zwischen unterschiedlich Alternativen muß also an Hand externer Kriterien erfolgen, z.B. an Hand der Frage welche Alternativen die größtmögliche Handlungsfreiheit für Menschen generieren. Es geht darum einzufordern, daß diese Entscheidungen zwischen Alternativen der Physik bewußt erfolgen und nicht weiter unbewußt durch Sachzwänge verklärt werden. Zur Zeit erfolgt diese Entscheidung zwischen unterschiedlichen Alternativen unbewußt entlang der je aktuellen Übernahme des Zeitgeistes. Mit inneren Notwendigkeiten haben diese Entscheidungen nichts zu tun. Auf diese Weise wird die Physik zu einem Diskurs der Reproduktion herrschender Ideologie.

J. Djuren
Hannover 2008

(Quelle: ak-anna.org)

Publish Date
Language
German
Pages
85

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Physik als anarchistische Textpraxis: Das Semiotische in den mathematisch-physikalischen Wissenschaften
2002, Verlag Graswurzelrevolution
Paperback in German - 1. Auflage

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Book Details


Edition Notes

Published in
Heidelberg, Germany

Contributors

Editor
Kunst Kultur Kommunikation

The Physical Object

Format
Paperback
Pagination
85p.
Number of pages
85
Dimensions
30 x x centimeters

ID Numbers

Open Library
OL26411797M
Internet Archive
Joerg_Djuren_Physik_als_anarchistische_Textpraxis
ISBN 10
3980635392
ISBN 13
9783980635394
OCLC/WorldCat
76510744
Library Thing
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