Über den Denkmalwert sogenannter Zweckbauten

das Erbe der Abtei Werden : die Königlich-Preussische Strafanstalt in Werden an der Ruhr

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April 13, 2010 | History

Über den Denkmalwert sogenannter Zweckbauten

das Erbe der Abtei Werden : die Königlich-Preussische Strafanstalt in Werden an der Ruhr

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Ludger Fischer
Über den Denkmalwert sogenannter Zweckbauten.
Das Erbe der Abtei Werden.
Die Königlich-Preußische Strafanstalt in Werden an der Ruhr, Annweiler 1987

Kaum ein Architekt oder Kunsthistoriker, der sich mit der Erhaltung historischer Bauwerke beschäftigt, verzichtet darauf, die Prinzipien, nach denen Restaurierungen oder Rekonstruktionen nach seiner Überzeugung vorzunehmen seien, schriftlich niederzulegen. Auf diese Weise ist in den vergangenen Jahrhunderten, während derer bewußt Denkmalpflege betrieben wurde, eine umfangreiche Bibliothek theoretischer Schriften zur Denkmalpflege entstanden.

Völlig einig sind sich alle Autoren, die die Richtlinien für denkmalpflegerische Maßnahmen meistens aus ihren eigenen praktischen Erfahrungen ableiten darin, daß mit historischer Bausubstanz in „verantwort1icher” Weise verfahren werden müsse.
Die denkmalpflegerischen Ziele, die zu erreichen oft ein erheblicher Aufwand getrieben wird, haben sich allerdings seit der Zeit, da Baumaßnahmen auch mit konservatorischem Anspruch durchgeführt werden, so oft gewandelt, daß unter „verantwortlichem” Umgang mit Denkmalen zum Teil geradezu gegensätzliche Maßnahmen verstanden werden. Dabei ist durchaus keine Entwicklung auf ein - wie auch immer bestimmtes - Ziel oder ein mit denkmalpflegerischen Mitteln vertretenes Anliegen zu erkennen. Vielmehr lassen sich oft zur selben Zeit unterschiedliche Anliegen erkennen, die dennoch mit demselben aufklärerischen Anspruch vorgetragen werden. Ob dieser in den jeweiligen Theorien formulierte Anspruch in der Praxis eingelöst wird, läßt sich daher nur an jedem einzelnen Objekt denkmalpflegerischer Bemühungen überprüfen.

In den Wogen der selbst historisch bedingten Denkmalauffassungen soll daher hier an einem konkreten Denkmal eine Argumentation über Denkmalwert und -unwert sowie das zu diesem Zweck verwendete Vokabular auf seine Funktion als Urteil und Vorurteil untersucht werden.

Die Geschichte der Strafanstalt Werden und die sich aus dieser Geschichte notwendig ergebenden theoretischen Überlegungen zum Denkmalwert eines solchen Gebäudes sind Thema dieser Arbeit. Anlaß und Notwendigkeit dazu ergaben sich aus dem Plan zum Abriß der Gebäude, die Zeugnis geben von einer mehr als hundert Jahre währenden Geschichtsepoche, während derer die Strafanstalt den städtebaulichen Mittelpunkt der Kleinstadt Werden - heute ein Ortsteil von Essen - bildete.
Die derzeitige Popularität und Akzeptanz der Denkmalpflege, die ihren Höhepunkt im europäischen Jahr des Denkmalschutzes 1975 hatte, erwächst nicht zuletzt aus einem in der Zeit des Nachkriegs-Wiederaufbaus vernachlässigten Bedürfnis nach „gemütlichen Ecken”. Die Denkmalpflege tritt dabei häufig als Mitstreiter gegen Investitionsspekulanten und unsensible Straßenplaner auf. Nachdem das Vertrauen in architektonische und städtebauliche Neuplanungen weitgehend geschwunden ist, hat die historisch gewachsene Bausubstanz nicht nur emotionellen Wert gewonnen. Der Druck dieses massiven, durchaus demokratischen Anspruches könnte sich allerdings als Feind einer historisch verankerten Denkmalpflege offenbaren.

Am Beispiel der Strafanstalt Werden wird jedoch deutlich, daß die aus ästhetischer Frustration geborene nostalgische Verklärung einer „guten alten Zeit” keinem Bauwerk gerecht wird. Durch die teilweise detaillierte Schilderung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in und um diese Strafanstalt wird hier dagegen versucht, pittoresken Bildern und Schauerromanhaften Vorstellungen dieser Zeit entgegenzuwirken. Zweckmäßigkeit, Symbolfunktjon und psychologische Ablehnung treffen hier in einzigartiger Weise zusammen und ermöglichen es, die Trennung von „hervorragenden Monumenten” und der niederen Zone des sogenannten „Zweckbaus”, die sich seit dem Beginn der Kunstgeschichtsschreibung bis heute fortsetzt, als untaugliche Kategorisierung zu veranschaulichen. Die Strafanstalt Werden wurde 1811 in der dortigen ehemaligen barocken Benediktinerabtei eingerichtet. Bedeutende Um- und Neubaumaßnahmen erfolgten in den Jahren 1845-45 und 1879-81. Durch die Freiegung des groben Bruchsteinmauerwerks und den Bau zweier zinnenbekrönter Türme wurde die Anlage von einem fürstabteilichen Palast zu einer preußischen „Festung der Sicherheit” verwandelt. Die Veranschaulichung der preußischen Staatsmacht fiel in diesen Türmen zusammen mit der Garantie des Staates für die Sicherheit seiner Bürger. DieAbwehr der Kriminalität, die den Staat von innen zu zersetzen scheint, stellte eine der Landesverteidigung adäquate Aufgabe dar, die architektonisch mit denselben Mitteln bewältigt wurde. Die zinnenbesetzten Zuchthaustürme stellten eine glaubwürdige Versicherung gegen die Ängste der Bürger vor den hier eingesperrten Kriminellen dar und repräsentierten gleichzeitig den um Integration der Rheinlande bemühten preußischen Staat.

Was hier im 19. Jahrhundert ohne die bestehende Bausubstanz zu zerstören und mit wenigen Symbolen an Architektonischer Umdeutung geleistet wurde, wird neben dem Wunschbild einer im reinen Barockstil rekonstruierten Abtei begreiflicherweise leicht Übersehen und unterschätzt. Anstoß erweckten die Steine der Strafanstalt bereits seit deren Einrichtung, die als ein Sakrileg gegenüber der einstmals ehrwürdigen, durch den heiligen Liudger gegründeten Abtei empfunden wurde. Die Ausührung der Erweiterungsbauten in dem für die rheinische Bauweise unüblichen Ziegelmauerwerk steigerte dieAblehnung dieses Bauwerks durch die Bevölkerung ebenso, wie später die Erinnerung an die „düstere Zuchthauszeit”, die 1928 zuendeging. Der Verdrängungsmechanismus setzte unmittelbar nach der Aufhebung der Strafanstalt ein, die 1939-46 angefertigten Pläne zum Abriß aller an diese 117 Jahre Zuchtausgeschichte erinnernden Gebäude kamen aber erst nach 1983 zur Ausführung.

Im gesellschaftlichen Denken, das wesentlich auf kollektiver Erinnerungen beruht, werden nur diejenigen Erinnerungen erhalten, die die Gesellschaft in ihrer jeweiligen Epoche mit ihrem gegenwärtigen Bezugssystem rekonstruieren kann. Der Rahmen des Gedächtnisses wird dabei nicht unwesentlich von der gebauten Umgebung des Menschen bestimmt. Mit dem Abriß historischer Bausubstanz wird somit jeweils ein Element, das der Rekonstruktion von Erinnerung dient, ausgelöscht.

Publish Date
Publisher
T. Plöger
Language
German
Pages
192

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Book Details


Published in

Annweiler

Edition Notes

Includes bibliographical references (p. 179-185).

Classifications

Library of Congress
NA109.G3 F57 1987

The Physical Object

Pagination
192 p. :
Number of pages
192

ID Numbers

Open Library
OL2126495M
LCCN
88187738

Work Description

General reflections on conservation an restoration exemplified at a striking example in Essen, Germany.
Prinzipielle Überlegungen zum Konservieren und Restaurieren anhand eines markanten Beispiels in Essen.

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